Wenn Ratten Würmer haben: Alles über Entwurmung

Farbatten, die als Haustiere gehalten werden, können selbst dann von Würmern befallen werden, wenn sie selbst nie nach draußen kommen. Da wir unsere Ratten nicht in absolut steriler Umgebung halten können und wollen, sind Infektionen durch hereingetragene Parasiten nicht auszuschließen. Wurmeier können über Schuhe oder auch über andere Haustiere wie z.B. Hunde oder Katzen in die Wohnung zu den Ratten gelangen. Selbst in Versuchslaboren, in denen hygienische Bedingungen herrschen, die wir in unseren Haushalten niemals erreichen könnten, stellt Wurmbefall bei Ratten eine zumindest so großes Problem dar, dass es sogar Spezialfutter gibt, das mit Fenbendazol (Mittel zur Entwurmung) versetzt sind (SNIFF AM Rodents Diets with Fenbendazole).

Infektion mit Würmern

Besonders häufig kommt ein Befall mit Madenwürmern (Oxyuren, meistens Syphacia oblevata, S. muris oder Aspiculuris tetraptera) vor. Madenwürmer können direkt von einem Tier auf das andere übertragen werden und benötigen keinen Zwischenwirt, wie einige andere Wurmarten. Die Übertragung findet über die Aufnahme von im Kot ausgeschiedenen Wurmeiern durch den Mund statt. Die Eier von Madenwürmern sind dabei sehr langlebig und klebrig, können daher lange in der Umgebung infektiös bleiben und sich z.B. an Pfoten oder Fell anhaften und dadurch das Tier infizieren. Auch eine Infektion über keimtragende Objekte wie z.B. Schuhe ist möglich. Dabei reichen bereits winzige Mengen von keimtragendem Material aus, die man selbst gar nicht bemerkt. Auch eine sogenannte Retroinfektion ist möglich, bei der sich ein Tier immer wieder durch selbst ausgeschiedene Wurmeier infiziert.

Symptome einer Wurminfektion

Bei Ratten mit guter Immunabwehr verlaufen Infektionen mit Oxyuren meist symptomfrei. Selbst absolut gesund erscheinende Ratten können mit Würmern belastet sein und Wurmeier ausscheiden. Bei starker Belastung kann es zu Gewichtsabnehme und Verschlechterung der Fellqualität kommen (Charles River Technical Sheet Pinworms).

Gefahr für den Menschen

Verschiedene Würmer der Gattung Syphacia und Aspiculuris können auch den Menschen befallen. Aus dem Grund muss ein Befall bei Farbratten, die als Haustier gehalten werden, unbedingt behandelt werden (Hunklinger, 2007 ((Kathrin Hunklinger (2007), Untersuchungen zur Wirksamkeit von Neopredisan 135–1 an Dauerstadien von Aspiculuris tetraptera und Trichuris muris, Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Veterin¨armedizin an der Freien Universität Berlin)))

Behandlung bei einer Wurminfektion

Die Behandlung von Madenwürmern sollte mit Fenbendazol erfolgen (Charles River Technical Sheet Pinworms). Dieses Breitspektrumanthelminthikum wirkt gegen Oxyuren, andere Nematoden, Cestoden und Giardien.

Es sollte wie folgt dosiert werden (CliniPharm CliniTox):

Nematoden

-100 ppm im Futter über 5 Tage (Van Miert 1994a)
-20 mg/kg 1 × täglich (Hatt 2004) während 5 Tagen (Smith 1997aMorrisey 1996b)

Giardien

-50 mg/kg 1 × täglich während 5 Tagen (Clyde 1996b)

Oxyuridose

-Sanierung von Labortierbeständen: 50 ppm im Futter während 5 Monaten (Van Miert 1994a)

Zusätzlich sollten alle Oberflächen mit einem Desinfektionsmittel behandelt werden, dass Wurmeier sicher abtötet. Empfehlenswert ist dafür z.B. Virkon S.

Prävention einer Wurminfektion

Um es kurz zu machen: Eine Wurminfektion kann man nicht verhindern. Sicherlich kann man hygienische Grundsätze einhalten und damit das Risiko einer Infektion minimieren, aber sicher verhindern kann man sie nicht. Mittel zur Entwurmung wirken nicht vorbeugend, sondern beseitigen nur bereits vorhandene Würmer. Bereits am nächsten Tag kann sich das gerade entwurmte Tier wieder infizieren. Allerdings sind regelmäßige Wurmkuren dazu geeignet, die Wahrscheinlichkeit des Ausscheidens von infektiösen Wurmeiern zu minimieren bzw. die Ausscheidungsdauer zu verringern.

Wann entwurmen?

Wir entwurmen unsere Ratten regelmäßig alle drei Monate. Während vor einiger Zeit regelmäßige strategische Entwurmungen bei allen möglichen Haustieren wie Hunden, Katzen und auch Pferden der Goldstandard waren, gibt es inzwischen einen Trend, Tiere erst nach einem positiven Wurmbefund zu entwurmen. Dafür werden Kotproben genommen und auf Würmer bzw. Wurmeier untersucht. Als Grund für dieses Vorgehen wird meist angegeben, dass man seinen Tieren keine unnötige Gabe von "Gift" zumuten möchte. In der Tat ist z.B. Fenbendazol ein hoch potentes Gift - wenn man eine Oxyure oder Giardie ist. Für eine Ratte ist Fenbendazol dagegen bei den für eine erfolgreiche Entwurmung notwendigen Dosierungen völlig ungefährlich. Bei Labortieren liegt die LD50 (also die Dosis, die dazu führt, dass 50% der behandelten Tiere sterben) bei 10 g/kg  (Todd 1976Muser 1984Van den Bossche 1982), also 200 mal höher als die empfohlene Dosierung zur Behandlung von Giardien! Andere Autoren berichten, dass Dosen von 10 g/kg p.o.; 1,25 g/kg i.p.; 2 g/kg s.c. (Wilkens 1974) problemlos von Ratten vertragen werden. Dosen von 119,6 mg/kg/Tag vom 8. - 15. Trächtigkeitstag an Ratten verabreicht, hatten keine embryotoxischen Effekte (Delatour 1977). Bei CliniPharm CliniTox werden als unerwünschte Nebenwirkungen von Fenbendazol lediglich die folgenden angegeben:

  • Gastrointestinaltrakt: Bei Hund und Katze ist gelegentlich Erbrechen zu beobachten (Plumb 1991).
  • Haut, Haar- und Federkleid: Nach einer Fenbendazolbehandlung während der Mauser kann es bei erwachsenen Tauben zu Federschäden kommen. Grössere Nebenwirkungen in Form von Federschäden sind bei halbwüchsigen, noch im Nest befindlichen Jungtauben zu erwarten (Devriese 1983Lüthgen 1979).
  • Immunsystem: Durch absterbende Parasiten sind sekundäre Hypersensibilitätsreaktionen möglich (Plumb 1991). Dies wurde vor allem bei der Behandlung migrierender Strongylus vulgaris-Larven mit hohen Dosierungen beobachtet. Ursache ist die mit dem Absterben der Parasiten verbundene massive Antigenfreisetzung (DiPietro 1987).

Zu beachten ist dabei, dass die Wirkung auf das Immunsystem nicht durch das Fenbendazol selbst, sondern durch die absterbenden Parasiten - also eigentlich durch die Würmer - verursacht wird.

Also noch einmal: Während Fenbendazol für Nematoden ein extrem tödliches Gift ist, ist es für Ratten ein nebenwirkungsarmes (bzw. sogar nebenwirkungsfreies) Medikament.

Um das zu verdeutlichen, möchte ich noch einmal eine Analogie heran ziehen. Schokolade ist aufgrund des in ihr enthaltenen Theobromins für Hunde giftig. Die orale LD50 von Theobromin liegt beim Hund im Bereich von 250-500 mg/kg Körpergewicht (CliniPharm CliniTox). Zartbitterschokolade hat einen Theobromingehalt von ca. 5,7 mg/g. Für einen 5 kg schweren Hund kann also der Verzehr einer einzigen Tafel Zartbitterschokolade bereits tödlich sein. Ziehen wir daraus den Schluß, dass Schokolade ein tödliches Gift ist, dass lebensbedrohlich ist und sofort aus dem Verkehr gezogenen werden muss? Natürlich nicht, denn wir Menschen können Theobromin anders verstoffwechseln und daher wesentlich mehr Schokolade gefahrlos zu uns nehmen als ein Hund. Der LD50-Wert für Theobromin bei Ratten beträgt sogar 1265 mg/kg  (222 mal so hoch wie bei Hunden).

Aber zurück zum Fenbendazol. Es gibt es wichtige Argumente, die dafür sprechen, Ratten regelmäßig auch ohne vorhergehenden positiven Befund einer Kotuntersuchung zu entwurmen.

Kotuntersuchugen zeigen Wurmbefall nicht sicher an

Bei einer Kotuntersuchung werden nicht die im Verdauungstrakt sitzenden Würmer, sondern vor allem die von den Würmern ausgeschiedenen Eier. Dabei ist zu beachten, dass einige Zeit vergeht, bis sich aus einem aufgenommenen Wurmei ein geschlechtsreifer Wurm entwickelt, der Eier ausscheidet. Diese Zeit nennt man Präpatenzzeit. Bei Syphacia spp. beträgt die Präpatenzzeit 9 Tage, bei Aspiculuris tetraptera sogar 24 Tage. Wird in dieser Zeit eine Kotuntersuchung vorgenommen, bleibt die Probe negativ, obwohl das Tier bereits mit Würmern infiziert ist, da noch keine Eier ausgeschieden werden.

Selbst nach der Präpatenzzeit ist die Ausscheidung von Wurmeiern nicht konstant. Es ist durchaus möglich, dass an einigen Tagen viele, an anderen Tagen nur wenige oder sogar gar keine Eier ausgeschieden werden. Daher wird für eine Kotuntersuchung empfohlen, Kot von drei aufeinanderfolgenden Tagen zu sammeln. Außerdem kann es sein, dass einige Tiere im Bestand mehr und andere weniger bzw. sogar gar nicht belastet sind, z.B. weil sie noch kein infektiöses Material aufgenommen haben, sie sich aufgrund einer späteren Infektion noch in der Präpatenzzeit befinden oder ihr Immunsystem die Würmer erfolgreich unterdrückt. Um überhaupt eine für eine Untersuchung geeignete Kotprobe seiner Ratten zu erhalten, müsste sicher gestellt sein, dass über einen Zeitraum von drei Tagen Proben von jeder individuellen Ratte genommen werden - was meiner Meinung nach selbst bei kleineren Beständen kaum zu bewerkstelligen ist. Und auch dann liegt die Treffsicherheit von Kotproben nur etwa bei 90%. Das klingt zunächst hoch, aber wenn man bedenkt, dass 10% aller Wurminfektionen selbst bei optimal zusammengestellten Proben nicht entdeckt werden, ist das doch noch ein recht hoher Anteil.

Ich möchte hier ein Gedankenexperiment des Tierarztes Ralph Rückert wieder geben:

Nehmen wir an, Hund oder Katze hat sich am Tag 1 mit den Eiern einer Wurmart infiziert, die eine Präpatenzzeit von 61 Tagen hat. Nehmen wir weiter an, dass (fachlich völlig korrekt) eine Drei-Tage-Kotprobe untersucht wird, und zwar zufällig von Tag 57, 58 und 59 nach Infektion. Die Kotuntersuchung ist dann negativ, der Besitzer bekommt vom Tierarzt Entwarnung, eine erneute Untersuchung wird für drei Monate später geplant, das Tier schläft weiter mit im Bett und schmust mit den Kindern. Leider beginnt Hund oder Katze zwei Tage danach mit der Ausscheidung infektiöser Wurmstadien, und zwar für das gesamte nächste Vierteljahr, ohne dass es jemand auch nur ahnen würde. Blöd gelaufen! Vergleichen wir damit den ungünstigsten Fall bei einer strategischen Entwurmung: Das Tier wird entwurmt und infiziert sich gleich am nächsten Tag mit der gleichen Art von Wurmeiern. Dann dauert es 61 Tage bis zum Beginn der Ausscheidung. Bleibt noch ein knapper Monat, in dem das Tier infektiös ist, dann setzt die nächste planmäßige Entwurmung dem Ganzen ein Ende. Auch nicht ideal, aber doch entschieden besser!

Fazit zum Thema Entwurmung

Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass die Risiken einer strategischen regelmäßigen Entwurmung für unsere Tiere deutlich niedriger sind als die Gefahr durch nicht entdeckte Würmer. Daher werden unsere Tiere regelmäßig entwurmt.