Bereits 1929 beschreibt Roberts ((Roberts, E. (1929), A BLUE MUTATION IN THE RAT (MUS NORVEGICUS), Science 04 Oct 1929: Vol. 70, Issue 1814, pp. 334)) blaue Ratten in einem Laborbestand. Er beschrieb die Farbe als ähnlich der Farbe blauer Mäuse, Kaninchen, Katzen und Hunde, was vermuten lässt, dass es sich hierbei bereits um russisch blaue Tiere gehandelt hat. 1934 finden sich Curtis und Dunning ((AN INDEPENDENT RECURRENCE OF THE BLUE MUTATION IN THE NORWAY RAT: And a Blue-Black Mosaic, Journal of Heredity, Volume 31, Issue 5, 1 May 1940, Pages 219–222)) zu Folge erneut blaue Ratten, die genetisch mit den 1929 entdeckten Tieren identisch sind.
In der Liebhaberzüchterei sind Russisch Blaue Ratten noch relativ neu. Die ersten russchisch blauen Ratten wurden 1993 von Gari Hauser entdeckt und gehen auf den Rattenbestand von Karla Barber zurück. Geri kaufte ein Trio von Karla und als er die Ratten verpaarte, fielen im Wurf dunkelgraue Babies, die anders aussahen als die blauen Ratten, die man bisher kannte. Die Farbe entsprach der von blauen Mäusen, Katzen oder Hunden, so dass man annehmen konnte, dass es sich um dieselbe Mutation handelte, die bereits Roberts sowie Curtis & Dunning beschrieben haben. Dabei unterschied sich die Farbe deutlich von den bisher bekannten British bzw. American Blue Tieren. Die erste Russian Blue Ratte wurde am 25.09.1994 in der unstandardisierten Klasse der AFRMA ausgestellt und am 27.01.1996 erfolgt schließlich die Standardisierung.
Der Standard für Russisch Blau / Russian Blue bei Farbratten
Die AFRMA beschreibt Russisch Blau / Russian Blue als „ähnlich wie blaue Mäuse oder Katzen, ein sehr dunkles Schiefergrau mit einem dunklen Ticking. Die Augen sind schwarz“. Die NFRS beschreibt die Farbe als „weiches Mittel-Grau-Blau mit einem metallischen Schimmer. Blasse, leichte Sprenkel oder ein leichtes Ticking (Heathering) ist verbreitet und kein Fehler. Die Farbe sollte gleichmäßig sein, die Farbe des Bauches zur Oberseite passen. Das Unterfell sollte bis zur Haut hin dunkelblau sein […] Die Augen sind schwarz.“ Dem Deutsche Standard der Farbratte folgend sollte die Farbe „ein mittleres bis dunkles Grau sein, welches metallisch schimmert […] Die Färbung an Rücken und Bauch ist einheitlich, wobei zum Bauch hin die Farbe etwas bräunlicher wird. Das Unterfell ist ebenfalls graublau“. Ein deutliches Silvering wird als Fehler angesehen.
Die Genetik der Russian Blue / Russisch Blau Ratte
Russisch Blau ist ein rezessive Allel, das heißt, eine russisch blaue Ratte muss homozygot (reinerbig) sein für das Russian Blue Allel. Der Genort wird im Deutschen mit rb (für Russian Blue) bzw. Rb (für Non-Russian-Blue / Wildform) abgekürzt. Verwirrender Weise wird derselbe Genort im englischsprachigen Raum mit d bzw. D abgekürzt, was wiederum in Deutschland für English Blue / Englisch Blau verwendet wird. Es empfiehlt sich also, im Zweifelsfall noch einmal genau nach zu fragen, welche Art von Blau gemeint ist. Zudem muss eine russische blaue Ratte reinerbig sein für das Non-Agouti-(„Black“)-Allel auf dem a-Locus, d.h. sie muss genetisch aa rbrb sein. Desweiteren wirken sich selbstverständlich auch alle anderen Verdünnung auf die Farbe Russian Blue aus, so dass eine Russian Blue den Gencode aa B- M- D- rbrb M- C- P- R- usw. aufweisen muss, also für alle anderen Verdünnungen das dominante Allel der Wildform vorliegen muss.
Kuramoto et al. untersuchten in einer umfangreichen Studie verschiedene Farbmutation von Farbratten in Hobbyzüchter-Beständen im Jahr 2010((Kuramoto T1, Yokoe M, Yagasaki K, Kawaguchi T, Kumafuji K, Serikawa T. (2010), Genetic analyses of fancy rat-derived mutations, Exp Anim. 2010;59(2):147-55)). Unter diesen Mutation war auch eine vertreten, die sie als Grey (Grau) bezeichneten und von der sie annahmen, dass es sich um Russian Blues von der Ostküste der USA handeln könnte. Der entsprechende Lokus des sich einfach rezessiv vererbenden Grey-Allels liegt auf dem Chromosom 8 im Abschnitt 57.3-95.2 Mb. Das Kandidatengen ist RB27AB, ein Mitglied der RAS Onkogen-Familie (Rab27a) und Myosin VA (Myo5a)((Kuramoto T1, Yokoe M, Yagasaki K, Kawaguchi T, Kumafuji K, Serikawa T. (2010), Genetic analyses of fancy rat-derived mutations, Exp Anim. 2010;59(2):147-55)).
Im Deutschen Standard der Farbratte wird neben dem Genort für russisch Blau noch von einem Genort Graphit berichtet. Für das rezessive Allel gr reinerbige Tiere sollen phänotypisch nicht von Russian Blue Ratten unterscheidbar sein. Verpaar man allerdings eine Russian Blue Ratte, die kein Graphit trägt, mit einer Graphit Ratte, die kein Russian blue trägt, so erhält man schwarze Babies (so lange keine weiteren Verdünnungen oder Agouti wirken). Eine internationale Quelle, die das Vorliegen eines Graphit-Locus bestätigen würde, konnte ich allerdings bisher nicht finden.