Geschlechtsunterschiede zwischen männlichen und weiblichen Ratten, worin unterscheiden sich Jungs von Mädchen, Hilfe, wenn es um die Entscheidung geht, ein Jungs- oder Mädelsrudel aufzubauen, Worauf lasse ich mich ein? Was muss ich beachten?
Der Körperbau
Der auffälligste äußerliche Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Farbratten besteht in ihrer unterschiedlichen Größe. Dabei ist das Gewicht auch stark von der jeweiligen Zuchtlinie abhängig. In wie fern eine selektive Zucht Einfluss auf die Größe der Tiere hat, wird bei der Betrachtung von Laborrattenlinien, zu denen es detaillierte Daten gibt, deutlich. Während z.B. männliche Wistar-Ratten im Alter von 84 Tagen im Durchschnitt 389 g wiegen und weibliche 201 g, liegt das Gewicht von Sprague-Dawley-Ratten im selben Alter bei durchschnittlich 425 g bei männlichen und 252 g bei weiblichen Tieren (Animal Resource Center).
Der zweite Unterschied, der ins Auge fällt, sind die relativ großen Hoden der männlichen Ratten. Schon bei der Geburt lassen sich Unterschiede an an Geschlechtsorganen erkennen, die mit zunehmenden Alter deutlicher und am Ende unübersehbar werden.
Geschlechtsunterschiede im Verhalten von Ratten
Menschen, die Erfahrungen mit der Haltung von männlichen und weiblichen Ratten haben, beschreiben Weibchen häufig als erkundungsfreudiger und aktiver, während die Jungs eher ruhig und entspannt sein sollen. Diese Erfahrungen decken sich mit den Ergebnissen zahlreicher Studien zum unterschiedlichen Verhalten von Rattenmännchen und -weibchen.
Aktivität vs. Ängstlichkeit bei männlichen und weiblichen Ratten
Hughes sperrte 1968((R.N.Hughes (1968). Behaviour of male and female rats with free choice of two environments differing in novelty, Animal Behaviour Volume 16, Issue 1, February 1968, Pages 92-96)) Ratten für 24 Stunden in einer abgetrennten Hälfte einer Box ein. Danach konnten die Tiere frei wählen, ob sie in der bekannten Hälfte bleiben oder die neue Hälfte erkunden. Die Ratten hielten sich im Anschluss unabhängig vom Geschlecht eher in der neuen Hälfte auf. Allerdings zeigten die Weibchen vermehrt Explorationsverhalten (d.h. sie erkundeten die neue Hälfte), während die Männchen sich eher mit Putzen, Fressen oder Trinken beschäftigten bzw. einfach erstarrten. Im Open-Field-Test (siehe grauer Kasten unten) setzen Männchen häufiger Kot ab((Gray, J. A., & Lalljee, B. (1974). Sex differences in emotional behaviour in the rat: Correlation between open-field defecation and active avoidance. Animal Behaviour, 22(4), 856-861.))((David A.BlizardH.RobertLippmanJeanette J.Chen (1975). Sex differences in open-field behavior in the rat: The inductive and activational role of gonadal hormones, Physiology & Behavior, Volume 14, Issue 5, May 1975, Pages 601-608)), was als Zeichen verstärkten Streßerlebens gedeutet wird, streifen weniger herum((Gray, J. A., & Lalljee, B. (1974). Sex differences in emotional behaviour in the rat: Correlation between open-field defecation and active avoidance. Animal Behaviour, 22(4), 856-861.)) und sind im Allgemeinen weniger aktiv((David A.BlizardH.RobertLippmanJeanette J.Chen (1975). Sex differences in open-field behavior in the rat: The inductive and activational role of gonadal hormones, Physiology & Behavior, Volume 14, Issue 5, May 1975, Pages 601-608)).
Fernandez et al.((C. Fernandes, M.IGonzález, C.AWilson, S.EFile (1999), Factor Analysis Shows That Female Rat Behaviour Is Characterized Primarily by Activity, Male Rats Are Driven by Sex and Anxiety, Pharmacology Biochemistry and Behavior, Volume 64, Issue 4, December 1999, Pages 731-736)) untersuchten 1999, ob das unterschiedliche Verhalten von männlichen und weiblichen Ratten auf allgemeine, zugrunde liegende Faktoren zurück zu führen ist. Dazu führten sie Tests im Elevated-Plus-Maze (siehe grauer Kasten unten) durch und analysierten die Daten im Anschluss mit Hilfe von statistischen Verfahren (Hauptkomponentenanalyse). Es zeigte sich, dass das Verhalten von Weibchen eher durch den Faktor "Aktivität" als durch den Faktor "Ängstlichkeit" beeinflusst wird, während es bei den Männchen genau umgekehrt war. Bei Weibchen werden 57% der Verhaltensvariation (Varianz) durch den Faktor "Aktivität" erklärt und 34% durch den Faktor "Ängstlichkeit", bei Männchen werden dagegen werden nur 24% der Verhaltensvariation durch "Aktivität" erklärt und ganze 75% durch "Ängstlichkeit". Ein ähnlicher Befund zeigt sich im Hole-Board-Test (siehe grauer Kasten unten).
In Bezug auf die Ängstlichkeit spielen weibliche Sexualhormone eine wichtige Rolle. Weibliche Ratten, deren Eierstöcke vor der Pubertät entfernt werden, zeigen sich zum Beispiel im Plus-Maze (siehe grauer Kasten unten) deutlich ängstlicher als intakte Weibchen((Zimmerberg B, Farley MJ (1992), Sex differences in anxiety behavior in rats: role of gonadal hormones. Physiol Behav. 1993 Dec;54(6):1119-24.)). Darüber hinaus spielt die An- bzw. Abwesenheit von Testosteron in der neonatalen Phase (d.h. bei neugeborenen Ratten) eine Wichtige Rolle bei der Ausprägung von Ängstlichkeit. Der Effekt wird teilweise durch die zyklischen Schwankungen der Hormonproduktion in den Eierstöcken weiblicher Tiere vermittelt.
Risikobereitschaft bei männlichen und weiblichen Ratten
Auch wenn die bisher geschilderten Ergebnisse zeigen, dass das Verhalten männlicher Ratten im Vergleich zu weiblichen in neuen Umgebungen eher von Ängstlichkeit geprägt zu sein scheint, bedeutet das nicht, dass sie weniger Risiken eingehen. Das Gegenteil ist der Fall. In einer Untersuchung von Jolles et al.((Jolle Wolter Jolles, Neeltje J. Boogert, Ruud van den Bos (2015) Sex differences in risk-taking and associative learning in rats, Published 4 November 2015.DOI: 10.1098/rsos.150485)) wurde deutlich, dass Männchen in einer neue, fremden Umgebung, die Versteckmöglichkeiten bietet, mehr Zeit außerhalb von Verstecken verbrachten als Weibchen, so lange der Geruch eines Raubtieres vorhanden war. Wenn der Geruch allerdings entfernt wurde, erkundeten die Weibchen die Umgebung stärker als Männchen. Die Ergebnisse können so interpretiert werden, dass Männchen eher risikobereit sind und sich entsprechend früherer Erfahrungen verhalten, während Weibchen weniger Risiken eingehen, dabei aber flexibler auf Veränderungen in der Umgebung eingehen.
Auch wenn es ums Futter geht, sind männliche Ratten eher bereit, Risiken einzugehen, als weibliche. Orsini et al.((Orsini CA, Willis ML, Gilbert RJ, Bizon JL, Setlow B. (2016). Sex differences in a rat model of risky decision making, Behav Neurosci. 2016 Feb;130(1):50-61. doi: 10.1037/bne0000111. Epub 2015 Dec 14.)) konfrontierten Ratten mit einer risikobehafteten Futterauswahl. Die Tiere konnten zwischen einer kleinen "sicheren" Futterbelohnung und einer großen, aber "risikoreichen" Futterbelohnung wählen. Während auf die "sichere" Futterbelohnung keine Konsequenz folgte, wurde die "risikoreiche" Belohnung von immer wahrscheinlicher werdenden leichten elektrischen Schocks begleitet. Hierbei zeigten sich weibliche Ratten weniger risikiobereit als Männliche, da sie die große, "risikoreiche" Belohnung signifikant seltener wählten als Männchen dies taten.
Hormoneller Einfluss auf die Ernährung
Die Ernährungsgewohnheiten von Nagetieren im Allgemeinen sind abhängig von hormonellen Unterschieden und Schwankungen. Während des Eisprungs nimmt die Menge des aufgenommenen Futters unter dem erhöhten Östrogeneinfluß ab und das Körpergewicht sinkt. Insgesamt ist die Häufigkeit der Nahrungsaufnahme bei männlichen und weiblichen Tieren gleich, allerdings fallen die Fresszeiten bei Weibchen jeweils kürzer aus als bei Männchen((Atsushi Fukushima,Hiroko Hagiwara, Hitomi Fujioka, Fukuko Kimura, Tatsuo Akema & Toshiya Funabashi (2015). Sex differences in feeding behavior in rats: the relationship with neuronal activation in the hypothalamus, Front Neurosci. 2015; 9: 88)). Auch das sogenannte "Rebound Eating" (reaktives Fressen) setzt bei weiblichen Ratten nach Hungerperioden schneller ein als bei Männchen. Fukushima et. al (2015)((Atsushi Fukushima,Hiroko Hagiwara, Hitomi Fujioka, Fukuko Kimura, Tatsuo Akema & Toshiya Funabashi (2015). Sex differences in feeding behavior in rats: the relationship with neuronal activation in the hypothalamus, Front Neurosci. 2015; 9: 88)) ließen Ratten für 12 Stunden fasten. Sowohl bei Männchen als auch Weibchen war danach die Menge des täglich aufgenommenen Futters erhöht, allerdings zeigten die Weibchen innerhalb der ersten 24 Stunden nach dem Nahrungsentzug den größeren Zuwachs in der Nahrungsaufnahme. Derartige Geschlechtsunterschiede in Bezug auf die Nahrungsaufnahme finden sich bei vielen Tierarten und die Reaktion auf Nahrungsentzug und Diät variiert stark zwischen den Geschlechtern.
Agonistisches Verhalten
Als agonistisches Verhalten wird in der Verhaltensbiologie die Gesamtheit aller Verhaltensweisen bezeichnet, „die mit Rivalität, Wettbewerb und Konkurrenz verbunden sind [...]. Sie umfassen nicht nur den mit Gewalt verbundenen Angriff (Aggressivität), sondern alle Verhaltensweisen, die bei Auseinandersetzungen zwischen Widersachern auftreten – also auch die des Verteidigens, des Beharrens, des Zurückweichens beziehungsweise der Flucht.“((Jochen Oehler: Warum töten Menschen Menschen? In: Biologie in unserer Zeit, Band 40, Nr. 6, 2010, S. 405)). Weitere Elemente des agonistischen Verhaltens sind unter anderem Imponierverhalten und Drohverhalten sowie Demutsgebärden (Wikipedia). Männliche Ratten zeigen mit sehr viel höherer Wahrscheinlichkeit agonistisches Verhalten als Weibchen, und zwar sowohl defensives, als auch offensives((Blanchard, R. J., Hori, K., Tom, P. and Caroline Blanchard, D. (1988), Social dominance and individual aggressiveness. Aggr. Behav., 14: 195–203)). In einer gemischten Kolonie (bitte nicht zu Hause nachmachen) waren Männchen für 93,2% der agonistischen Verhaltensweisen verantwortlich. Während Männchen auf diese Weise Dominanz-Hierachien aufbauen, komme diese bei Weibchen seltener vor. In gemischtgeschlechtlichen Kolonien (bitte nicht zu Hause nachmachen) werden Eindringlinge mit höherer Wahrscheinlichkeit von Männchen angegriffen als von Weibchen. In der Studie von Blanchard et al. konnte auch gezeigt werden, dass in gemischten Kolonien (bitte nicht zu Hause nachmachen) Männchen selten Weibchen beißen, ebenso beißen sich die Weibchen selten untereinander, aber Bisse zwischen Männchen kommen deutlich häufiger vor.
Verwendete Testverfahren
Open-Field-Test
Der Open-Field-Test beruht auf der verhaltensbiologischen Beobachtung, dass Mäuse, Ratten, Küken und viele andere Tiere das Betreten einer ihnen unbekannten, hell erleuchteten Freifläche, die ihnen keinerlei Deckung oder andersartige Rückzugsmöglichkeit gewährt, vermeiden. Werden sie dennoch in einer derartigen Umgebung ausgesetzt, wird sich ihre Aktivität im Spannungsfeld von Ängstlichkeit, Fluchtbereitschaft und Erkunden bewegen.
Open-Field-Tests finden in einem in der Regel oben offenen, weißen Kunststoffbehälter. Nachdem ein Testtier wahlweise (je Testprogramm aber einheitlich) in eine Ecke, ins Zentrum oder in ein bestimmtes Quadrat gesetzt wurde, werden alle Verhaltensweisen und sämtliche Ortsänderungen über eine festgelegte Zeitspanne hinweg und in ihrer zeitlichen Abfolge in einem Verhaltensprotokoll registriert. Anschließend kann beispielsweise die Auftretenshäufigkeit jeder Verhaltensweise, die im Testgelände zurückgelegte Wegstrecke, die Geschwindigkeit der Fortbewegung und die Häufigkeit, mit der bestimmte Bereiche aufgesucht wurden, berechnet werden, und zwar auch in Abhängigkeit von der Dauer des Aufenthalts in der Versuchsanordnung (Quelle: Wikipedia)
Elevated-Plus-Maze
Dieser Test verwendet einen Apparat in Form eines Plus-Zeichens mit zwei offenen und zwei geschlossenen Armen. Das Verhaltensmodel basiert auf der generellen Abneigung von Nagetieren gegenüber offenen Flächen. Diese Abneigung führt dazu, dass die Tiere es vorziehen, umschlossenen Bereichen oder nah am Rand von umgrenzten Gebieten zu bleiben. Im Elevated-Plus-Maze führt dies dazu, dass die Tiere ihre Bewegung auf die geschlossenen Armen beschränken. Eine Reduzierung von Angst im Plus-Maze wird durch eine relative Zunahme der Zeit, die die Tiere in den offenen Armen verbringen, sowie eine Zunahme der Häufigkeit, mit der sie die offenen Arme betreten, angezeigt (Quelle: Wikipedia)
Hole-Board-Test
Der Hole-Board-Test-Apparat besteht aus einer von Wänden umschlossenen Fläche. Der Boden dieser Fläche ist mit Löchern bedeckt. Die drei häufigsten Verhaltensweisen sind 1. den Kopf nach unten strecken, 2. sich auf die Hinterbeine stellen und 3. Fortbewegung. Diese drei Verhaltensweisen sind explorativ und je häufiger sie gezeigt werden, desto weniger ängstlich ist das Tier (Quelle: Wikipedia)
Open-Field-Test, By DBCLS 統合TV