Wenn man sich mit dem Thema Tierzucht beschäftigt, stößt man irgendwann an einen Punkt, an dem man sich mit dem Thema Inzucht, Linienzucht und Außkreuzungszucht auseinander setzen muss. Das Thema Inzucht ist für viele Menschen ein sehr emotional besetztes, da man fast schon zwangsläufig an das Inzesttabu beim Menschen denken muss. Häufig treten dann Ideen von deformierten oder geistig eingeschränkten Nachkommen auf, von degenerierten Adelsgeschlechtern und allerlei anderen schlimmen Dingen. Tatsächlich ist es aber so, dass die Inzucht bei Tierstämmen nicht wirklich mit dem Inzest bei Menschen verglichen werden kann, da hier andere Selektionsmechanismen greifen als bei Tieren. So wird bei Menschen selten der mit der höchsten genetisch bedingten Fitness als Partner ausgesucht, sondern meist der, in den man sich verliebt hat, oder der - wie in manchen Adelsgschlechtern - der den größten politischen Vorteil bietet.
Anscheinend sitzen die Vorstellungen, die mit dem Thema Inzest verbunden sind, so tief, dass für viele Personen, insbesondere Laien, die auf der Suche nach Liebhabertieren sind, die Vorstellung von Inzucht als legitime Zuchtmethode völlig abwegig ist. Es herrscht die Vorstellung, verpaarte Tiere sollten möglichst blutsfremd sein, es sollten auf gar keine Fall verwandte Tiere verpaart werden und Inzuchtverpaarungen seien auf jeden Fall zu vermeiden (vgl. Rodent-Info)
Dieser Einschätzung liegen einige Irrtümer zugrunde.
Begriffsbestimmung Inzucht, Linienzucht, Auskreuzungszucht
Inzucht
Inzucht bezeichnet die Fortpflanzung von Individuen mit nahem Verwandtschaftgrad wie z.B. von Geschwistern untereinander oder einem Eltenteil und einem Nachkommen (Mutter x Sohn oder Vater x Tochter).
Linienzucht
Linienzucht bezeichnet die Fortpflanzung von Individuen mit entferntem Verwandtschaftgrad wie z.B. Cousin x Cousine, Onkel x Nicht, Halbgeschwister
Auskreuzung
Auskreuzung bezeichnet die Fortpflanzung nicht verwandter Individuen untereinander.
Inzucht und Inzuchtlinien bei Ratten
Was ist eine Inzuchtlinie?
Inzucht bezeichnet die Fortpflanzung von Individuen mit nahem Verwandtschaftgrad wie z.B. von Geschwistern untereinander oder einem Eltenteil und einem Nachkommen (Mutter x Sohn oder Vater x Tochter). Von einer reinen Inzuchtlinie spricht man, wenn Individuen einer bestimmten Art über mindestens 20 Generationen durch Verpaarung von Bruder mit Schwester entstanden sind. Das heißt, alle Nachkommen können auf ein Vorfahrenpaar vor 20 oder mehr Generationen zurück geführt werden. Einige Quellen berichten auch davon, dass eine Verpaarung von Elter x Nachkommen in Inzuchtlinien zulässig ist, wobei der jüngere Elter mit einem Nachkommen verpaart werden sollte (vergleiche Wikipedia). Folge ist, dass die Homozygosität (Vorliegen gleicher Allele) bei einer Bruder x Schwester-Verpaarung pro Generation um 19,1 % erhöht wird. Nach 20 Generationen sind dann mindestens 98,7% der Loki (Genorte) homozygot (reinerbig), d.h. die Individuen können aufgrund des nahezu identischen Erbguts als Klone behandelt werden. Nach 30 Generationen sind dann 99,8%, nach 40 Genrationen 99,98% der Loki homozygot.
Geschichte von Inzuchtlinien bei Ratten
Inzuchtlinien sind aufgrund ihrer als identischen zu betrachtenden genetischen Beschaffenheit besonders interessant für die Foschrung mit Versuchstieren. Dadurch, dass die genetische Variabilität ausgeschaltet ist, wird eine potentielle Störvariable, die den Ausgang von Experimenten beeinflussen könnte, entfernt. Daher verwundert es auch nicht, dass schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt Forscher daran gearbeitet haben, Inzuchtlinien von Ratten aufzubauen. Eine der ersten Forscherinnen in diesem Gebiet war Dr. Helen King (King 1918), die in der Zeit von 1907 - 1949 an den Wistar Labs gearbeitet hat und die Beobachtung an über 25.000 Ratten zusammengefasst hat. Eine ihrer Linien ist die "King Albino" Linie (heute PA Strain), die über 135 Generationen ingezüchtet wurde. Darüber hinaus schuf sie aus einem Bestand von Wildtieren die Linie "Brown Norway Rat", die bereits 1934 in der 35. Generation ingezüchtet war und die bis heute in der Forschung verwendet wird. Seit der Arbeit von Dr. King sind über 100 Inzuchtlinien aufgebaut worden. Viele davon wurden von Curtis und Dunning (Curtis et al. 1931) an der Universität Columbia am Institut für Krebsforschung entwickelt, wie z.B. die Linien F344, M520, Z61, ACI, ACH, A7322 und COP. Ein trauriges Kapitel in der Linienzucht von Ratten ist, dass auch einige Linien speziell auf eine hohe Inzidenz von Neoplasien (hohe Tumorneigung) hin gezüchtet wurden wie z.B. der Stamm C3H und AKR (Festing, M. F. W. (1998)((Festing, M. F. W. (1998). Enycyclopedia of Immunology.)).
Folgen von Inzucht
Inzucht verursacht keine genetischen Defekte
Das wohl größte Missverständnis im Zusammenhang mit Inzucht ist, dass durch Inzucht schädliche Gendefekte ausgelöst werden, die zu Missbildungen und Degenerationen führen. Das ist falsch. Inzucht an sich ist nicht mutagen, d.h. sie löst keine Mutation im Sinne von Gendefekten aus. Stattdessen werden Genmutationen z.B. durch bestimmte chemische Substanzen wie Arsensäure und deren Salze, Asbest, Benzol, Acrylamid, Benzpyren, Cobaltchlorid, Ottokraftstoff, Rohöl. Nitrosamine, Basenanaloga, Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe, durch energiereiche Strahlung wie Röntgen-, ionisierende und UV-Strahlung, durch Viren wie HI-Viren, Epstein-Barr-Viren und HP-Viren sowie durch Aflatoxine, ein Stoff aus Schimmelpilzen, ausgelöst (Wikipedia). Inzucht führt nicht zu Genmutationen.
Allerdings führt Inzucht dazu, dass bereits in der Population vorhandene, rezessive kranheitsauslösende Allele mit höherer Wahrscheinlichkeit zutage treten. Das soll im Folgenden an einem Rechenbeispiel verdeutlicht werden.
In einer Population gibt es ein rezessives, schädliches Alle a ("Klein-a"), dass durch eine Genmutation aus dem Allel A ("Groß-A") entstanden ist. Wenn das Allel a homozygot (reinerbig) vorliegt (aa), löst es schwere Defekte aus. Im heterozygoten Fall Aa bleibt es dagegen unbemerkt, die Tiere unterscheiden sich nicht von Tieren, die reinerbig für das dominante A sind und keine Defekte aufweisen. Das Allel a tritt mit einer Wahrscheinlichkeit von 1% in der Population auf. Daraus ergibt sich, dass das Allel A mit einer Wahrscheinlichkeit von 99% auftritt.
Daraus ergeben sich folgende mögliche Genotypen mit den aufgeführten Wahrscheinlichkeiten:
AA: 0,99 x 0,99 = 0,9801, also 98,01%
aa: 0,01 x 0,01 = 0,0001, also 0,01%
Aa: 0,99 x 0,01 = 0,0099, also 0,99%
aA: 0,99 x 0,11 = 0,0099, also 0,99%
Das die Reihenfolge der Allele nicht berücksichtigt werden muss, ergibt sich für den Genotyp Aa die Wahrscheinlichkeit von 2 x 0,99% = 1,98% (Wahrscheinlichkeit für Aa + Wahrscheinlichkeit für aA).
Die Wahrscheinlichkeiten sind in den Subpopulationen der Männchen und Weibchen gleich verteilt.
Wir wählen jetzt zufällig ein Männchen und ein Weibchen aus den entsprechenden Subpopulation aus und verpaaren diese.
Mit größter Wahrscheinlichkeit wählen wir ein Weibchen mit dem Genotyp AA und ein Männchen mit dem Genotyp AA aus (Wahrscheinlichkeit = 98,01% x 98,01% = 96%). Wenn wir diese Tiere verpaaren, bekommen wir immer reinerbige AA Tiere heraus und es zeigt sich nie ein genetischer Defekt.
Jetzt schauen wir, was passiert, wenn wir zwei Trägertiere verpaaren. Die Wahrscheinlichkeit, ein Trägermännchen und ein Trägerweibchen auszuwählen, beträgt 0,0198 x 0,0198 = 0,00039204, also ca. 0,04%. Wenn wir diese Tiere verpaaren, treten bereits in der ersten Generation reinerbige aa Tiere mit einer Wahrscheinlichkeit von 25% auf. In dem Fall wäre sofort ersichtlich, dass beide Elterntiere Träger sind und wir würden die Tiere von der Zucht ausschließen.
Kniffliger wird es, wenn wir ein reinerbiges AA-Tier und ein Trägertier Aa verpaaren. Die Wahrscheinlichkeit, dass das erste Individuum den Genotyp Aa hat, beträgt laut den Betrachtungen oben 1,98%. Die Wahrscheinlichkeit, dass das zweite Individuum den Genotyp AA hat, liegt bei 98,01%. Innerhalb des Wurfes ergeben sich folgende Wahrscheinlichkeiten für die einzelnen Genotypen:
Nach dem Multiplikationssatz beträgt die Wahrscheinlichkeit, bei der Verpaarung zweier zufällig aus den Populationen ausgewählter Individuen den Genotyp Aa zu erhalten 0,9801 (Wahrscheinlichkeit, ein Individuum mit Genotyp AA aus der Population auszuwählen) x 0,0198 (Wahrscheinlichkeit, ein Individuum mit Genotyp Aa aus der Population auszuwählen) x 0,5 (Wahrscheinlichkeit für ein Individuum mit dem Genotyp Aa im Wurf) = 0,00970299, also ca. 0,97%
In einem zweiten Schritt verpaaren wir jetzt zwei Geschwister aus dem Wurf. Jetzt ändern sich die Randwahrscheinlichkeiten. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein Individuum den Genotyp Aa trägt, liegt jetzt bei 0,97%
Nach dem Multiplikationssatz beträgt die Wahrscheinlichkeit, bei der Verpaarung zweier zufällig aus dem Wurf ausgewählten Individuen den Genotyp aa zu erhalten, 0,97 (Wahrscheinlichkeit, ein Individuum mit Genotyp Aa aus dem Wurf auszuwählen) x 0,97 (Wahrscheinlichkeit, ein Individuum mit Genotyp Aa aus dem Wurf auszuwählen) x 0,25 (Wahrscheinlichkeit für ein Individuum mit dem Genotyp aa im zweiten Wurf) = 0,0625, also 6,25%
Während in der Ausgangspopulation der Genotyp aa, der zu schweren Defekten führt, mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,01% auftritt, liegt dann, wenn wir ein Trägertier als einen Elternteil unserer Parentalgeneration haben, die Auftretenswahrscheinlichkeit für den Genotyp aa in der ersten Inzuchtgeneration bei 6,25%
Verpaarung mit Tieren, die reinerbig für das krankheitsauslösende Allel a sind, sollen hier nicht betrachtet werden, die diese Tiere aufgrund der sichtbaren Defekte ohnehin von der Zucht ausgeschlossen werden würden.
Ab durch den Flaschenhals: Der Effekt der Gendrift
Wenn es zu einer Reduktion auf eine kleine, nur aus wenigen Individuen bestehende Population kommt, tritt der sogenannte genetische Flaschenhalseffekt auf. Aufgrund dieses Effektes kommt es zu einer genetischen Verarmung und zu einer Verschiebung der Allelfrequenzen im Vergleich zur Ausgangspopulation. Die Auswahl von Elterntieren einer Inzuchtlinie stellt einen solchen Flaschenhals dar. Folge des Flaschenhalseffektes ist die Gendrift, eine zufallsbedingte Veränderung der Allelfrequenzen, und es tritt ein sogenannter Gründereffekt auf, da die Elterntiere der Inzuchtlinie eine Gründerpopulation darstellen.
Tiere aus Inzuchtlinien zeichnen sich durch folgende Eigenschaften aus:
- Sie sind isogen (genetisch identisch bis auf das Geschlecht).
- Es liegt Homozygosität (Reinerbigkeit) vor.
- Es besteht phänotypische Konsistenz.
- Stabilität über einen langen Zeitraum.
- Identifizierbarkeit
- Individualität
Die negativen Seiten: Inzuchtdepression
Kommen wir nun zu den negativen Auswirkungen der Inzucht, nämlich der sogenannten Inzuchtdepression. Folge können die Veränderung der Reproduktivität, der Fitness und der Überlebensrate sein. Ein Grund für dieses Phänomen ist die oben bereits dargestellte Manifestation schädlicher rezessiver Allel (Charlesworth D1, Willis JH. (2009)((Nat Rev Genet. 2009 Nov;10(11):783-96. doi: 10.1038/nrg2664. The genetics of inbreeding depression.)) Dabei wird beobachtet, dass die Inzuchtdepression in den Generationen F2 bis F8 am höchsten ist und danach wieder abnimmt (Silver 2001((Silver, L. (2001) Encyclopedia of Genetics))).
Ein weiterer Aspekt, der eine wichtige Rolle im Hinblick auf die Inzuchtdepression spielt, ist die Überdominanz oder Superdominanz. Überdominanz liegt vor, wenn heterozygote Individuen die homozygoten Individuen in ihren Eigenschaften übertreffen, also eine höhere Fitness im evolutionären Sinn haben. Dieser Effekt wird auch Heterozygotenvorteil genannt. Kreuzt man Tiere aus zwei nicht verwandten Inzuchtlinien, kann es aufgrund von Überdominanz zum Heterosiseffekt kommen. Die Individuen können eine gesteigerte Wüchsigkeit und eine sowohl qualitativ als auch quantitativ höhere Ertragsleistung sowie eine bessere Vitalität aufweisen. Der Heterosiseffekt ist im allgemeinen nach Kreuzung bestimmter Inzuchtlinien am größten und bei diesen in der ersten Nachkommengeneration (F1) maximal ausgeprägt, da diese Generation den höchsten Grad an Heterozygotie aufweist, welche in den darauffolgenden Generationen kontinuierlich abnimmt (Frankel 19834((Frankel, R. (ed.): Heterosis. Berlin 1983.)). Der Vollständigkeit halber soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass auch den Effekt der Auszuchtdepression gibt, bei dem die Nachkommen nicht verwandter Elterntiere eine geringere evolutionäre Fittness aufweisen als die Eltern.
In dem Zusammenhang muss man auch den Haupthistokompatibilitätskomplex (Major Histocompatibility Complex, MHC) betrachten. Er umfasst bei Wirbeltieren eine Gruppe von Genen, die Proteine kodieren, die für die Immunerkennung, die Gewebeverträglichkeit (Histokompatibilität) bei Transplantationen und die immunologische Individualität wichtig sind (vgl. Wikipedia). Darüber hinaus besteht ein Zusammenhang mit der Anfälligkeit gegenüber Infektionen und Autoimmunerkrankungen. Der MHC zeichnet sich durch eine sehr hohe genetische Variabilität, d.h. dem Vorhandensein von vielen verschiedenen Allelen, und einen deutlich Heterozygotenvorteil aus. Viele Studien belegen eine gesenkte Resistenz gegenüber Pathogenen in für den MHC homozgoten Individuen bzw. eine allgemeine höhere Anfälligkeit bei ingezüchteten Individuen ( Gutierrez-Espeleta et al. 2001((Gutierrez-Espeleta GA, Hedrick PW, Kalinowski ST, Garrigan D, Boyce WM, Heredity (Edinb) (2001) Is the decline of desert bighorn sheep from infectious disease the result of low MHC variation? 2001 Apr; 86(Pt 4):439-50.))).
Auszucht
Wenn Inzucht das eine Extrem der Zuchtmethoden ist, dann ist die Auszucht als das entgegengesetzte Extrem zu betrachten. Dazwischen liegen verschiedene Modelle der Linienzucht. Auszucht hat zum Ziel, innerhalb einer geschlossenen Population eine definierte genetische Heterogenität unter Einhaltung bestimmter Variationsgrenzen im Verlauf der Generationen zu bewahren. Da es sich um eine geschlossene Population handelt, dürfen nach der Gründerpopulation keine stammfremden Tiere mehr eingekreuzt werden. Loosli (1969, 1971) verwendet den Begriff 'Auszucht' im 'weiteren' Sinne für alle Verpaarungssysteme, die zu einer erhöhten genetischen Variabilität führen, also auch Mehrfachkreuzungen, etc. In der Versuchstierkunde wird der Begriff allerdings nur in seinem 'engeren' Sinne verwendet, so wie ihn Lush ( 1958 ) definiert hat: Tiere werden innerhalb einer 'geschlossenen' Population verpaart (also innerhalb eines Stammes), wobei die Zuchtpartner einen maximalen genetischen Abstand voneinander haben sollen und die Steigerung des Verwandtschaftsgrades über die Generationen hinweg im Minimum ist. Die Integration zusätzlicher, fremder Gene (z.B. durch Einkreuzung stammfremder Tiere) ist nach Abschluss der Aufbauphase (5 – 7 Generationen) eines Stammes nicht mehr erlaubt (Reinhart et al. 2013(Reinhart Kluge, Potsdam-Rehbrücke, Dirk Wedekind,E (2013) Fachinformation aus dem Ausschuss für Genetik und Labortierzucht, Auszuchtstämme, Zuchtmethoden und genetische Eigenschaften))). Eggenberger (1973)((Eggenberger, E. (1973): Modellpopulationen zur Beurteilung von Rotationssystemen in der Versuchstierzucht. Z. Versuchstierk. 15: 297 – 331)) zufolge sind 200 Zuchtpaare als effektive Populationsgröße anzusetzen, um eine Auszucht dauerhaft ohne nennenswerte Allelverluste erhalten zu können, sofern korrekte Zuchtsysteme eingesetzt werden und keine leistungssteigernde Selektion betrieben wird. Hier zeigt sich bereits, warum eine reine Auszucht für den Hobbyzüchter nicht durchführbar ist. Rapp (1972)((Rapp, KG. (1972): HAN-rotation, a new system for rigorous outbreeding. Z. Versuchstierk. 14: 133 – 142)) gibt an, dass die Gründerpopulation aus 400 nicht verwandten Tieren bestehen muss. Die Verpaarung der Tiere erfolgt in einem Auszuchtstamm nicht zufällig, sondern nach ausgeklügelten zirkulären Zuchtsystemen oder Rotationssystemen.
Die Abbildung unten zeigt ein zirkuläres System nach Kimura & Crow (1963, Abbildung aus The Laboratory Rat von George J. Krinke). Die Tabelle zeigt Nummernpaare für die Zuchttiere. Die erste und zweite Ziffer repräsentieren die Mutter und den Vater des neuen Zuchttieres. Bei 8 Ausgangstieren bedeutet das zum Beispiel, dass das weibliche Zuchttiere 1 [1(f)] einer neuen Generation dadurch entsteht, dass man das männliche Zuchttiere Nummer 8 mit dem weiblichen Zuchttier Nummer 1 aus der letzten Generation verpaart.
Sehr verbreitet sind Rotationssysteme wie z.B. die Systematische Zuchttierrotation nach Poiley (1960), das Verpaarungssystem nach Robertson, das zyklische System nach Falconer sowie Han-Rotations-System. Zielsetzungen bei der Verwendung von Rotationssystemen sind:
- Gleichmäßige Durchmischung des genetischen Pools eines Auszuchtstammes
- Gleiche Gewichtung aller familiären Genotypen im Verlauf der Generationen
- Minimierung des Verwandtschaftsgrades zwischen den Tieren
- ohne Wiederholbarkeit von Allel- und Genotypfrequenzen sowie der phänotypischen Merkmalsverteilungen
Die folgende Abbildung, in der die unterschiedlichen Verpaarung für verschiedene Rotationssysteme abgebildet ist, sollte die Komplexität solcher Systeme deutlich machen ((Abbildung nach Fox, J.G., Barthold, S.W., Davisson, M. T., Newcomer, C. E., Quimby, F. W., Smith, A. L. (2006) The Mouse in Biomedical Research: History, Wild Mice, and Genetics)).
Linienzucht als praktikabele Methode
Für den Hobbyzüchter ist wahrscheinlich die Linienzucht oder auch Pedigree-Zucht bzw. Zucht mit Stammbaum die praktikabelste Methode. Sie stellt einen Mittelweg zwischen In- und Auszucht dar und ist besonders geeignet für Populationen mit sehr kleinen Zuchtgruppen oder besonders seltene Tiere. Schon ab zehn Zuchtpaaren ist eine Pedigree-Zucht möglich. Nach Belle (2004) werden die Tiere anhand ihrer Abstammung so ausgesucht, dass immer die beiden mit dem geringsten Verwandtschaftsgrad verpaart werden. Dabei ist darauf zu achten, dass ein Zuchtpaar möglichst nur einen gemeinsamen Urgroßelter besitzt (Belle 2004((Belle, A. M. (2004). Zuchtdaten zu Körpergewicht, Fruchtbarkeit und Aufzuchtleistung der Schleißheimer Mäusestämme zwischen 1990 und 2001)). Andere Linienzucht-Systeme lassen auch einen engeren Verwandtschaftsgrad zu.
Linienzucht unterscheidet sich von anderen Formen der Inzucht vor allem dadurch, dass eine enge Beziehung zu einem Vorfahren, der gewünschte Eigenschaften aufgewiesen hat, erhalten bleibt, während sie gleichzeitig weniger intensiv ist als extreme Inzucht. In der Linienzucht wird das Prinzip der Selektion mit dem Prinzip der Inzucht verbunden. Dabei wird alle Inzucht, die nicht notwendig ist, um ein gewünschtes Merkmale zu festigen, vermieden, so dass die Intensität von Inzucht in der Regel moderat ist. In der Linienzucht werden aus bekannten Vorfahren die ausgesucht, deren Einfluss man bewahren möchte, und die Anzahl der Nachfahren erhöht, ohne das gewünschte Merkmal zu verlieren. (Jush 1943((Jush, J.L. (1943) Animal Breeding Plans))).
Ein hervorragendes Beispiel von Linienzucht bei Rassekaninchen liefert Peitz (1986((Peitz, W. J. (1986). Garten und Kleintierzucht, Zeitung des Verbandes der Kleingärtner, Siedler und Kleintiezüchter (ehem. DDR), Ausgabe D 16'86, für Züchter von Rassekaninchen, Ziegen und Milchschafen, Edelpelztieren und Rassekatzen)
Ein interessanter Artikel zum International Genetic Standardization Project ist bei Charley River abrufbar. Hier werden noch einmal Menanismen zur Auskreuzung und Inzucht beschrieben.