Eine Hinterhandlähmung ist leider ein bei alten Ratten nicht selten auftretendes Problem. Während die wilden Artgenossen der Farbratte oft eine recht kurze Lebenserwartung haben, werden unsere domestizierten Hausgenossen relativ alt. Während die wilden Verwandten leichte Beute für Fressfeinde werden, sobald die ersten Alterserscheinungen auftreten, können unsere zahmen Mitbewohner oft auch mit dem einen oder anderen Gebrechen noch ein gutes Seniorenleben führen.
Eine häufig auftretende Altersfolge ist die Hinterhandschwäche oder später auch Hinterhandlähmung. In diesem Artikel soll es um die langsam auftretende Hinterhandlähmung gehen. Wenn eine starke Hinterhandlähmung von einem Tag auf den nächsten auftritt, ist das häufig eine Folge eines Schlaganfalls oder einer akuten Verletzung (z.B. durch einen Sturz). In dem Fall muss auf jeden Fall sofort ein Tierarzt konsultiert werden. Auch bei einer sich langsam entwickelten Hinterhandlähmung sollten Sie die Ratte einem tierärztlichen Check unterziehen, um die Ursachen abklären zu lassen und die Behandlungsmöglichkeiten für Ihr spezielles Tier individuell zu besprechen.
Wie erkennt man eine Hinterhandlähmung?
Schon relativ früh kann man eine sich entwickelnde Hinterhandlähmung am watschelnden Gang einer betroffenen Ratte erkennen. Die Tiere haben die Hinterbeine beim Laufen nicht mehr richtig an, sondern schlurfen eher. Der Ratte fällt es zunehmend schwer, die Hinterbeine zu benutzen. Sie scheinen mit den Hinterbeinen zu paddeln und am Ende werden die Beine nur noch nachgezogen, während sich die Ratte mit den Vordergliedmaßen vorwärts zieht. Die Muskeln der Hinterhand und Flanken gehen immer weiter zurück (dystrophieren) und die Flanken der Ratte erscheinen eingefallen. Die Erkrankung ist fortschreitend, allerdings kann sie schubweise verlaufen, so dass betroffenen Tiere immer wieder stabile Phasen haben können.
Was sind die Ursachen?
Die Ursachen für eine Schwäche und später Lähmung der Hinterhand können vielfältig sein. Bei einer plötzlich auftretenden Lähmung kann möglicherweise ein Schlaganfall (die Lähmung ist dann eher halbseitig) oder eine Verletzung (ein sogenanntes Trauma) die Ursache sein. Desweiteren kann ein sich entwickelnder Tumor auf Nervenbahnen drücken und so die Hinterbeine gefühllos und/oder bewegungsunfähig machen.
Eine häufige Ursache für die Hinterhandlähmung bei Ratten eine Degeneration der Nerven, vor allem der Nerven im Rückenmark. Sie verlieren nach und nach ihre Funktion und können immer weniger Signale an die Muskeln von Hinterbeinen und Schwanz senden, die nach und nach ihre Arbeit einstellen. Dadurch, dass die Ratte ihre Beine immer weniger benutzt, werden die Nerven immer weniger getriggert, was zu weiterem Abbau und damit zu schweren Lähmungen führt. Dieser Teufelskreis für schließlich zur vollständigen Lähmung der Hinterhand.
Als zweite Ursache für eine fortschreitende Hinterhandlähmung kommt die sogenannte degenerative Osteoarthiris in Frage, die selbstverständlich auch zusätzlich zur oben beschriebenen Degeneration der Nerven auftreten können. Ratten mit solchen Veränderungen fallen im Gegensatz zu den Tieren mit einer Hinterhandlähmung aufgrund einer Nervendegeneration dadurch auf, dass sie eher steif laufen und vermehrt Schmerzsymptome zeigen
Diskutiert wird auch ein Zusammenhang zwischen Nierenversagen und Hinterhandlähmung. Möglicherweise liegt die Verbindung darin, dass Nierenversagen dazu führt, dass Calcium nicht mehr aufgenommen werden kann und es stattdessen aus den Knochen gezogen wird und sich in einigen Fällen als Kristalle in den Gelenken ablagert. Darüber hinaus können Ratten mit Nierenversagen Proteine nicht mehr effektiv verdauen, was zu einem Abbau der Muskeln führt.
Was kann der Tierarzt tun?
Auch wenn sich die Hinterhandlähmung langsam und schleichend entwickelt, sollten Sie unbedingt einen Tierarzt aufsuchen, um die Individuellen Ursachen und Therapiemöglichkeiten für Ihr Tier abklären zu lassen. Sind entzündliche Prozesse Ursache für die Hinterhandlähmung, kann der Tierarzt entsprechend entzündungshemmer (wie z.B. Metacam) geben. Bei Hinterhandlähmungen aufgrund einer Nervendegeneration hat sich die Gabe von Vitamin B 12, teilweise auch in Verbindung mit Cortison bewährt. Hier sollten Sie mit einem Tierarzt besprechen, welche Dosierung die passende für Ihre Ratte ist.
Was kann ich selbst tun?
Neben dem Tierarztbesuch und der Verabreichung der verordneten Medikamente können Sie einiges dafür tun, dass ihre Ratte noch ein glückliches Leben führt. Zunächst einmal gilt es, den Käfig dahingehend zu prüfen, dass die beeinträchtige Ratten noch alle wichtigen Punkte wie die Wasserflasche, den Futternapf und Kuschel- sowie Schlafmöglichkeiten erreichen kann. Leitern sollten durch Rampen mit seitlichen Begrenzungen ersetzt werden. Achten Sie unbedingt darauf, dass die Ratte nirgendwo abstürzen kann. In einem entsprechend gestalteten Käfig können auch Tiere mit einer Hinterhandlähmung noch zufrieden in ihrem Rudel weiter leben. Manchmal kann es aber auch sinnvoll sein, das ältere Tier von jüngeren, stürmischeren Rudelmitgliedern zu trennen und zusammen mit zwei eher ruhigen Tieren in eine Seniorenresidenz umzusiedeln. Dafür eignen sich auf eine Etage beschränkte Käfige, in denen alles ebenerdig untergebracht werden kann. Achten sie darauf, dass der Untergrund so beschaffen ist, dass die gelähmte Ratte gut darauf kriechen kann. Fleece-Decken sind z.B. sehr gut geeignet oder waschbare Teppiche. Da Bewegung ein wichtiger Faktor ist im Kampf gegen die fortschreitende Lähmung, sollten sie der Ratte immer noch so viel Beschäftigung wie möglich bieten, weswegen der Umzug in einen Extra-Käfig auch erst erfolgen sollte, wenn es gar nicht mehr anders geht. Junge Artgenossen halten die älteren auf Trab und damit jung.
Wie kann man Hinterhandlähmungen verhindern?
Leider gibt es kein Patentrezept, mit dem man Hinterhandlähmungen verhindern kann. Grundsätzlich gilt, dass eine gesunde, ausgewogenen Ernährung wichtig ist. Achten Sie immer darauf, dass ihre Tiere alle notwendigen Nährstoffe erhalten. Im Zusammenhang mit der Gesunderhaltung der Nervenbahnen spielt vor allem Vitamin B, insbesondere Vitamin B12 eine rolle. Hierbei ist zu beachten, dass nur in tierischen Quellen oder Mikroorganismen enthaltenes Vitamin B12 verwertet werden kann. Ratten stellen ihren Bedarf in der Regel dadurch sicher, dass sie den eigenen Kot fressen und so das im hinteren Darmabschnitt gebildete Vitamin B12, das an der Stelle nicht mehr resorbiert werden kann, aufnehmen. Auch Omega-3-Fettsäuren wirken sich positiv aus. Diese sind reichhaltig in Fisch enthalten.
Ein weiterer wichtiger Punkt zur Gesunderhaltung ist reichlich Bewegung. Der Käfig der Tiere sollte so gestaltet sein, dass sie zahlreiche Bewegungs- und Klettermöglichkeiten haben. Zweige, Klettergrüste und Netze ermöglichen eine dreidimensionale Gestaltung des Käfigs. Darüber hinaus ist ein täglicher Auslauf in einem größeren Areal von mindestens einer Stunde, besser länger, notwendig. Auch hierbei ist darauf zu achten, den Tieren eine möglichst abwechslungsreiche Umgebung mit Kletter- und Versteckmöglichkeiten zu bieten. Gut geeignet sind z.B. kleine, entsprechend umgestaltete Katzenkratzbäume oder das Aufstellen eines Käfigs als "Erlebnispark" mit Buddelbox, Bällebad und Klettermöglichkeiten. Die beste Klettermöglichkeit für meine Ratten stelle anscheinend ich selbst dar - und sie leben es, gekitzelt zu werde und dabei um mich herum zu toben.
Auf gar keinen Fall sollten Sie allerdings Laufräder oder Laufteller nutzen. Diese sind in der Regel viel zu klein für Ratten, die aufgrund des langen Schwanzes eine erhebliche Körperlänge haben. In einem Laufrad müssen sie die Wirbelsäule derart biegen, dass es zu Schäden und Degeneratinen führen kann. Auch Laufteller fördern eine ungesunde Laufhaltung. Lassen Sie die Tiere lieber frei laufen!