Immer wieder treffe ich bei Facebook oder in Online-Gruppen auf aufgeregte Beiträge von Menschen, die meinen eine gute Tat begangen zu haben, in dem sie Ratten vor der Verfütterung an Reptilien gerettet haben. Ich kann darüber aus mehreren Gründen nur den Kopf schütteln.
Schlangen müssen auch fressen
Man kann noch so viele Ratten vor der Verfütterung an Schlangen "retten" - es bleibt aber eine Tatsache, dass auch Schlangen mit irgendetwas ernährt werden müssen. Eine vegetarische Ernährung von Schlangen ist meines Wissens nach nicht möglich, es ist also ein Fakt, dass irgendeine Ratte (oder Maus oder ähnliches) sterben muss, um eine Schlange satt zu machen. Nun könnte man natürlich argumentieren, dass Menschen sich keine Schlangen halten sollten, dann müssten auch keine Ratten verfüttert werden. Diese Argument ist aber nicht nur realitätsfern, sondern berücksichtigt nicht, dass es eben jetzt Schlangen in menschlicher Obhut gibt, die nicht ausgewildert werden können, sondern im heimischen Terrarium ernährt werden müssen.
Unterstützung von Massenproduzenten
Selbstverständlich gibt es auch kleine Futtertierzuchten, bei denen die Tiere bis zur Tötung oder Verfütterung gut untergebracht und behandelt werden. Allerdings wird die Masse der Futterratten unter nicht sehr tierfreundlichen Bedingungen "produziert". Dadurch, dass man Ratten vor dem Tod durch Fressen "rettet", unterstütze man diese "Produktionsmethoden". Dem Verkäufer von Futterratten ist es letztlich egal, was mit seinen Ratten passiert und den Schlangenbesitzer verliert er ja nicht als Kunden, wenn er Ratten an "Tierretter" verkauft.
Keine geeigneten Haustiere
Ratten aus Futtertierentzuchten sind unter Umständen gar keine geeigneten Haustiere. Während Hobbyzüchter von Farbratten sich darum bemühen, nur mit Tieren zu züchten, die ein gutes Temperam und einen freundlichen Charakter haben, wird in reinen Futtertierzuchten selten darauf geachtet. In kleinen Futtertierzuchten mag es noch sein, dass man darauf achtet, dass die Tiere gut handhabbar und nicht aggressiv sind, bei großen Futtertierproduzenten ist das aber kaum noch der Fall. "Rettet" man jetzt eine Ratte vor der Verfütterung, kann es gut passieren, dass man mit einem Exemplar nach Hause geht, dass nicht nur aggressiv veranlagt ist, sondern unter Umständen so ängstlich veranlagt ist, dass es sich in einem Haushalt mit normalem Alltagstrubel nie sicher fühlen wird. In einer reinen Futtertierzucht wird in der Regel auch nicht besonders darauf geachtet, dass die Ratten ein lange Lebenserwartung haben, so dass eine eventuell genetisch verankerte frühe Tumorneigung nicht herausgezüchtet wird.
Der Blick über den Tellerrand
Ich bin in einer US-amerikanischen Rattengruppe, in der viele sogenannte "Dual-Purpose-Breeder" sind. Sie züchten sowohl Ratten als Heimtiere als auch Futterratten. In der Regel testen diese Züchter das Temperament ihrer Tiere sehr genau und entschieden dann, ob sie als freundliche Heimtiere verkauft werden bzw. weiter in der Zucht bleiben, oder ob sie als aggressiv veranlagte Tiere (Aggressivität hat eine deutlich erbliche Komponente) leidfrei getötet und zu Reptilienfutter werden. Als ich das Thema "Rettung von Futtertieren" in dieser Gruppe diskutiert habe, gab es einige entsetzte Reaktionen. Für diese Züchter war es undenkbar, dass eine von ihnen als potentiell aggressive oder ängstliche Ratte als Heimtier bei jemandem landet, da sie sich verantwortlich fühlen würden, wenn diese Tier beißen würde. Im Gegensatz zu diesen Züchtern bin ich der Meinung, dass man mit entsprechenden Bemühungen und Geduld auch aus Ratten mit einer eher dominanten oder ängstlichen Veranlagung gute Heimtiere machen kann und dass auch aus einer Ratte, die bereits einen Menschen gebissen hat, ein liebes Haustier werden kann (ich habe das selbst mit eigenen Tieren aus dem Tierheim erlebt). Ich finde es aber gut, sich auch einmal mit dieser anderen Sichtweise auseinander zu setzen. Denn es ist nun einmal ein Fakt, dass Menschen Schlangen als Haustiere halten und dass auch diese Tiere ernährt werden müssen. In dem unten verlinkten Video spricht ein Mitglied der Facebook-Gruppe "an Rat Temperament Testing- No Overly Sensitive People Allowed" über ihre beiden Hobbies Schlangenzucht und Rattenzucht (Auf Englisch, startet ab 8 min 16 sec)
Verkaufst Du denn Tiere als Futter oder an Futtertierzüchter?
Verständlicherweise wird man mich jetzt fragen, ob ich meine Tiere als Schlagenfutter oder an Futtertierzüchter verkaufe, wo ich doch der Meinung bin, dass auch Schlangen fressen müssen. Das ist eine gute und berechtigte Frage. Meine Tiere werden grundsätzlich nach den allgemeinen Bedingungen meines Schutz- und Abgabevertrages abgegeben, in dem steht, dass mit ihnen nicht gezüchtet werden darf und dass sie nicht verfüttert werden dürfen. Diese allgemeinen Bedingungen können von mir im Einzelfall ergänzt werden. Ich gebe Tier zum Beispiel durchaus an Züchter ab, wenn ich von ihren Zuchtzielen und der Haltung der Tiere überzeugt bin. Sollte ein FuttertierzüchterIn Interesse daran haben, meine Tiere in seiner/ihrer Zucht einzusetzen, kann er/sie sich selbstverständlich wie jeder andere ZüchterIn auch bei mir melden. Ich werde dann im Einzelfall entscheiden, ob ich eine Zuchterlaubnis erteile. Allerdings stehen die Chancen schlecht, dass jemand, der/die Futtertiere züchtet, mich überzeugen kann, ihm/ihr Tiere zu zur Zucht abzugeben, da die Haltungsbedingungen wahrscheinlich weit von dem abweichend, was ich für meine Tiere möchte. Ich gebe keine Tiere als Schlangenfutter ab. Ich bin ein Gegner von Lebenfütterung, meiner Meinung nach sollten Schlangen daran gewöhnt sein, tote Beutetiere zu fressen. Das würde bedeuten, dass ich darauf bestehen würde, dass der/diejenige, der/die meine Tiere als Futtertiere erwirbt, diese vorher auf leidfreie Weise tötet. Da ich das nicht kontrollieren kann, gebe ich keine Tiere an jemanden ab, der sie verfüttern möchtet. Wer es jetzt auf die Spitze treiben möchte, kann mir natürlich entgegnen, ich könnte die Tiere ja vorher selbst töten und dann abgeben. Das werde ich aber nicht tun, da ich keine Tötungsmethode außer der Einschläferung bei Tierarzt für wirklich leidfrei oder zumindest leidarm halte. Und ein eingeschläfertes Tier kann man nicht mehr verfüttern.
Ich hoffe, dass ich niemanden mit diesen deutlichen Worten zu sehr verschreckt habe, ich bin aber der Meinung, dass man sich als Züchter auch mit solchen Themen objektiv auseinander gesetzt haben sollte. Ich selbst lebe übrigens vegan und nein, meine Ratten tun das nicht.