Behandlung von Bisswunden bei Farbratten

Wundbehandlung bei Ratten ist ein Thema, zu dem bereits sehr viel geschrieben wurde. Viele Forscher haben sich dem Thema gewidmet, was vor allem daran liegt, dass die Farbratte als Tiermodell für die Wundheilung beim Menschen genutzt wird. Im Namen der Wissenschaft werden Ratten alle möglichen Wunde zugefügt und diese dann mit verschiedenen Wirkstoffen versorgt. Google Scholar liefert zur Zeit etwa 1.450.000 Ergebnisse zu den Suchbegriffen "Rat Wound Healing". Leider sind viele Ergebnisse dieser Studien nicht für den Hausgebrauch geeignet, denn wie bekommt man zum Beispiel mesenchymale Stoma-Zellen aus dem Knochenmark (die die Wundheilung beschleunigen(( Bone marrow‐derived mesenchymal stromal cells accelerate wound healing in the rat, K McFarlin, X Gao, YB Liu… - Wound Repair and …, 2006 - Wiley Online Library))) oder Chitosan Gel mit epidermalem Wachstumsfaktor (verbessert die Wundheilung bei Verbrennung((An investigation on burn wound healing in rats with chitosan gel formulation containing epidermal growth factor, C Alemdaroğlu, Z Değim, N Celebi, F Zor, S Öztürk… - Burns, 2006 - Elsevier))).

Meine Erfahrungen mit Wunden bei Ratten

Im folgenden möchte ich einige ganz praktische Erfahrungen mit der Wundbehandlung bei Farbratten wieder geben. Ich möchte betonen, dass es sich um eine neutrale Informationen meiner subjektiven laienhaften Erfahrungen handelt, die auf keinen Fall den Besuch beim Tierarzt ersetzen darf.

Da diese Art von Wunden bei Farbratten am häufigsten vorkommen dürfte, möchte ich mich in diesem Artikel mit dem Thema offene traumatische Wunden nach mechanischen Verletzungen beschränken, speziell auf Bisswunden. Bei einer Integration kann das Risiko einer Bisswunde tatsächlich relativ hoch sein und selbst in einem harmonischen Rudel kann es einmal bei einer Auseinandersetzung auch zu einer Bissverletzung kommen. Diese Wunden sind besonders anfällig für Infektionen, da Keime sehr tief ins Gewebe getragen werden durch den Biss.

Die Formen und Phasen der Wundheilung

Bei der Heilung von Bisswunden bei Farbratten handelt es sich meist um eine sekundäre Wundheilung (oder p.s. = sanatio per secundam intentionem). Diese tritt bei Wunden auf, bei denen ein Gewebsdefekt vorliegt und/oder bei Wunden, die mit Bakterien infiziert sind. Andere Formen der Wundheilung sind die primäre Wundheilung bei der die Wundränder ohne Infektion bündig geschlossen werden wie z.B. nach einer Operation oder die epitheliale Wundheilung von oberflächlichen Wunden.

Die Wundheilung läuft in mehreren Phasen ab:

Exsudativ- oder Reinigungsphase:

  • Dieser Vorgang wird auch als Reinigungs-, Inflammations- oder Entzündungsphase bezeichnet.
  • Blut und Wundflüssigkeit schwemmen Rückstände der erfolgten Gewebszerstörung, wie Zelltrümmer, aber auch Fremdkörper, sowie Keime und Erreger aus der Wunde heraus
  • Am Ende bilden sich in der Resorptionsphase (wird teilweise gesondert aufgeführt) ein Fibrinnetz gebildet.

Proliferative oder Granulationsphase:

  • Die Regeneration des Gewebes beginnt. Der Defekt wird mit frischem Gewebe (Granulationsgewebe) aufgefüllt.
  • Es entsteht körniges Granulationsgewebe (rotes, stark durchblutetes körniges Gewebe), das die Wunde von unten her füllt und sich allmählich zusammenzieht. Dadurch schließt sich die Wunde weiter. Durch Proliferation (lat. für ‚Bildung, Entstehung‘) von neuem Bindegewebe wird der Wunddefekt auf diese Weise zunehmend aufgefüllt. 

Regenerationsphase, Reparationsphase oder reparative Phase:

  • In dieser Phase findet die Epithelisierung statt, durch die die Wunde oberflächlich geschlossen wird. Die Bedeckung mit frischem Gewebe erfolgt vom Wundrand aus.

Allgemeine Anzeichen für Wundheilungsstörungen bei Farbratten

Die klassischen primären 5 Entzündungszeichen einer infizierten Wunde sind(( https://www.draco.de/wundstadien/ )):

  • Rötung (Calor)
  • Wärme (Rubor)
  • Schwellung (Tumor)
  • Schmerz (Dolor)
  • Bewegungseinschränkung (functio laesa)

Wenn diese Symptome auftreten, ist von einer Infektion auszugehen.

Folgende klinische Zeichen werden als sekundäre Zeichen einer Wundinfektion bezeichnet:((Universitätsspital Basel, Leitlinien Wundmanagement 2011))

  • Eiteraustritt oder Vorliegen eines Abszesses
  • Cellulitis (Rötung der Haut, Ödem der Haut- und Unterhaut und Schmerzen. Cellulitis bezeichnet die Infektion der Haut und Unterhaut).
  • Veränderung des Wundsekrets (Menge, Farbe oder Geruch)
  • Zersetzung des Wundgrundes
  • Ungewöhnliche Verzögerung der Wundheilung

Besonders bei chronischen Wunden sind noch folgende Symptome zu finden:((Schedler, S. (2017), Die Wundreinigung - Grundlage für den Heilungserfolg, Abschlussarbeit Weiterbildung Wundmanagement an der Schule für Gesundheits-und Krankenpflege des Ausbildungszentrums West
Innsbruck))

  • Wundgeruch
  • Wundtaschenbildung
  • Verfärbung der Wunde
  • Epithelbrücken
  • Sehr empfindliches, fragiles Granulationsgewebe, das leicht zu bluten beginnt

Infektionen

Eine der am weitesten verbreitetsten Ursachen für Wundheilungsstörungen bei Farbratten dürfte die Infektion mit Keimen sein. Haupterreger sind Arten des Staphylococcus sowie Enterobakterien, z.B. Enterokokken oder gramnegative Bakterien (durch Verunreinigung mit Kot) ((Staphylococcus Auraeus, Charles River, Technical Sheet, 2009)) .

Staphylococcus Auraeus

Unter den Staphylokokken-Arten ist die am weitesten verbreitet der Saphylococcus Aureaus. Dieser Keim hat als "Krankenhaus-Keim" eine gewisse Bekanntheit erreicht. Hier ist in der Regel vom multiresistenten MRSA, wobei MR nicht für multiresistent, sondern für Meticillin-Resistent steht. Dieser Keim wird von der Weltgesundheitsorganisation WHO als einer der Keime aufgeführt, der die größte Bedrohung der Gesundheit der Menschheit darstellt (siehe "Studie zeigt: Multiresistente Keime bei Wildratten"). Allerdings ist nicht jeder Staphylococcus Auraeus aus ein Meticillin resistenter Keim. S. Auraeus ist unter allen Säugetieren sehr verbreitet. Es wird davon ausgegangen, dass etwa 30% der gesunden Menschen S. Auraeus in der Nasenschleimhaut oder auf der Haut trägt ((Staphylococcus Auraeus, Charles River, Technical Sheet, 2009)). S. Auraeus kann über durch Aerosole über die Luft, mit Keimen belastete Objekte (sogenannte Fomite), infizierte Tiere oder Menschen übertragen werden. Eine Infektion mit S. Auraeus kann im Rahmen der Wundheilung zur Bildung von Abzessen und letztlich auch Tumoren führen((Infectious Bacterial Staph Infection in Rats, https://www.petmd.com/exotic/conditions/skin/c_ex_rt_staphylococcal_infection)).

Fibrinbeläge

Bei Untersuchungen von Rattenbissen bei Menschen wurden die folgenden Keime identifiziert:(( Microbiology of Animal Bite Wound InfectionsFredrick M. Abrahamian, Ellie J. C. GoldsteinClinical Microbiology Reviews Apr 2011, 24 (2) 231-246; DOI: 10.1128/CMR.00041-10)):
Streptobacillus moniliformis, Infektionen sind bei Ratten meist symptomlos, selten können Abzesse auftreten, beim Menschen Auslöser des Rattenbissfiebers
Spirillum minus, kann ebenfalls beim Menschen Rattenbissfieber auslösen, Vorkommen vor allem in Asien
Staphylococcus epidermidis
Bacillus subtilis
alpha-hemolytischer Streptococcus
Corynebacterium kutscheri
Leptospira

Während des Gerinnungsprozesses spielt Fibrin eine wichtige Rolle. Der Gerinnungsvorgang wird durch die Bildung von Fibrin unterstützt, dieses legt sich netzartig über die Wunde und dient somit als Grundlage für die Verankerung von Fibroblasten und als Grundsubstanz des Granulationsgewebes.

Bei der Wundheilung kann es aber vorkommen, dass zu viel Fibrin produziert wird und sich in der Wunde ablagert. Die sogenannte Fibrinpersistenz zeichnet sich dadurch aus, dass das Fibrin nicht abgebaut wird und damit die Wundheilung stört.

Die Fibrinbeläge können gelb, gelbgrün oder gelbbraun sein und sind oft nur schwierig zu entfernen. Der Fibrinbelag muss aus der Wunde entfernt werden, damit die Heilung voranschreiten kann.(( https://www.draco.de/wundstadien/ ))

Wundversorgung

Blutung stillen

Bei einer akuten Wunde muss zunächst einmal eine eventuelle Blutung gestillt werden. Grundsätzlich ist es nicht schlecht, wenn eine Wunde blutet, da damit evtl. Fremdkörper, Verunreinigungen und Keime aus der Wunde geschwemmt werden. Wenn die Wunde nach einigen Minuten immer noch blutet, sollte man versuchen, mit einer sterilen Kompresse Druck auf die Wunde auszuüben, um die Blutung zu stoppen. Sollte auch dies nicht helfen, ist unter Umständen ein größeres Blutgefäß betroffen und die Wunde muss von einem Tierarzt versorgt werden.

Zur Blutstillung eignen sich Produkte, die Calciumalginat enthalten ("blutstillende Watte"). Bei kleineren Wunden kann auch Kaliumaluminiumsulfat (Alumen/Alaunen/"Rasierstift") zum Einsatz kommen ((Frey, H. H., Löscher, W. , et al. (2002). Lehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie für die Veterinärmedizin. MVS Medizinverlage Stuttgart; Auflage: 2., Aufl. (25. April 2007) )).

Meiner Erfahrung nach kommt es bei Bissen oft vor, dass nur die oberen Hautschichten durchtrennt werden und die Wunde so gut wie gar nicht blutet. Hier der nächste Punkt, die Wundspülung, besonders wichtig.

Wundspülung

Sobald die Blutung einigermaßen gestillt ist, sollte die Wunde gründlich gespült werden. Dadurch werden weitere Verunreinigungen aus der Wunde gespült. Eine gründliche Wundspülung ist aber nicht nur bei der Erstversorgung einer Wunde notwendig, sondern sollte auch während des Heilungsprozesses, besonders dann, wenn es zu Wunheilungsstörungen kommt, immer wieder durchgeführt werden. Dadurch werden evtl. Nekrosen (abgestorbenes Gewebe), überschüssiges Fibrin, Biofilme (keimhaltige Beläge), überschüssiges Exudat (Wundsekret) und weitere Verunreinigungen aus der Wunde gespült.

Als Wundspülung eigenen sich zum einen gibt es unkonservierte Wundspülungen wie Ringerlösung oder Physiologische Kochsalzlösung (NaCl 0,9%). Die Lösungen sind sehr günstig, aber müssen innerhalb von 24 Stunden verbraucht werden, wenn sie einmal angebrochen wurden. Daher eigenen sich für die Hausgebrauch eher konservierte Spülungen, wie zum Beispiel Prontosan, Lavasorb, Lavanid-Lösung 1 und 2 oder Lavanox in Frage.((Protz, K. (2009, 2011, 2019), Moderne Wundversorgung: Praxiswissen, Standards und Dokumentation, Elsevier München, 5. Aufl., 6. Aufl. 9. Aufl.)) Gut lässt sich die Wundspüllösung mit Hilfe einer Kanüle mit stumpfer Spitze aufbringen. Damit kann man auch sehr gut Wundtaschen oder eröffnete Abzesse spülen.

Antiseptik

Zur bei infektgefährdeten oder entzündeten Wunden ist eine Aniseptik notwendig. Dazu eigenen sich die Wirkstoffe Octenidin (Präparat: Octenisept) und Polyhexanid (Präparat: Serasept). Octenidin hat einen schnellen Wirkeintritt von 1-2 Minuten, Polyhexanid benötigt eine Einwirkzeit von 5-20 Minuten, bis alle Mikroorgansimen inaktiviert sind. Polyhexanid ist aktuell das einzige Antisept mit wundheilungsfördernder Wirkung. Auch PVP-Iod (Präparate: Betaisodona, Braunovidon) können sinnvoll sein und werden vor allem für Bißwunden empfohlen. Allerdings wird PVP-Iod durch Kontakt mit eiweißhaltigen Substanzen wie Blut oder Wundsekret und ist daher gerade bei chronischen Wunden weniger geeignet. Als unzeitgemäß gelten Wasserstoffperoxid und Rivanol. Auch die Antiseptika können sehr gut mit einer Kanüle mit stumpfer Spitze angewandt werden. ((Protz, K. (2009, 2011, 2019), Moderne Wundversorgung: Praxiswissen, Standards und Dokumentation, Elsevier München, 5. Aufl., 6. Aufl. 9. Aufl.))

Wundreinigung

Ich empfehle, das Fell um eine Wunde herum zu entfernen, um die Wundreinung zu erleichtern. Nekrosen (abgestorbenes Gewebe), Beläge, Fremdkörper, Abfallstoffe, überschüssiges Wundexsudat (Wundflüssigkeit) oder avitales ("totes") Gewebe erschweren die Wundheilung. Auch Fibringbeläge können die Wunheilung behindern. Ein Auswischen mit Kompressen, die mit Wundspüllösung oder einem Antiseptikum angefeuchtet wurden, kann Abhilfe schaffen. Unter Umständen ist aber ein sogenannte "Debridgement" notwendig. Dabei werden mittel Pinzette und Skalpel Nekrosen und Beläge abgetragen. Diese Form der Wundversorgung sollte man dem Tierarzt überlassen. Eine Schere sollte beim mechanischen Debridgement nicht verwendet werden, da damit auch vitales Gewebe gequetscht wird.

Wundauflagen

Grundsätzlich weisen die Erfahrungen mit der modernen Wundversorgung im Humanbereich darauf hin, dass eine angemessene Wundauflage heilungsfördernd ist. Bei der Versorgung von Farbratten haben wir nun aber das Problem, dass es extrem schwierig ist, Wundauflagen entsprechend zu fixieren. Insbesondere im hinteren Bereich des Körpers, also am Bauch, unteren Rücken, der Genitalregion (z.B. bei Wunheilungsstörungen nach einer Kastration) kommen Wundauflagen so gut wie nicht in Frage. Im oberen Rückenbereich, Hals, sowie im Bereich des Thorax kann man mit etwas geschickt einen Verband anlegen. Gut eigenen sich mit Silikon beschichtete, nicht klebende Wundauflagen, die mit elastischer Mullbinde und dann mit selbsthaftender Mullbinde fixiert werden. Hier ist etwas Geschick notwendig, da der Verband natürlich nicht zu fest sein darf, so dass ich z.B. kein Blut oder Lmyphe staut, andererseits aber auch so fest, dass die Ratte sich nicht so einfach daraus befreien kann. Da andere Ratten gerne bei so einer "Befreiungsaktion" helfen, sollte man das verletzte Tier zunächst einzeln setzen. Wundfolien oder Hydrogele sind in der humanen Wundversorgung inzwischen sehr verbreitet, haften aber auf der Haut von Farbratten nur sehr schlecht.

Orale Antibiose

Bei einer infizierten Wunde kann eine orale Antibiose notwendig sein. Daher sollte beim Verdacht einer Infektion auf jeden Fall ein Tierarzt konsultiert werden.

Weitere Heilung

Während der weiteren Heilung von Wunden ist es wichtig, die Wundränder sauber zu halten. Am Wundrand wird sich ein rote, gut durchbluteter Rand bilden, von dem aus die Wund zuwächst. Dieser Rand sollte von Krusten gereinigt werden. In der Wundversorgung bei Menschen ist man inzwischen dazu über gegangen, Wunden abzudecken und durch entsprechende Gel- oder Schaumauflagen feucht zu halten, um eine Krustenbildung zu verhindern.

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